Open Talk
Ausgangslage: Der Sternen Seen in der Pandemie
Der Jugendtreff Sternen war seit 2018 sehr gut besucht. Auch in der Pandemie konnte das Team die Jugendlichen von Seen in der aufsuchenden Arbeit lückenlos begleiten. Im Sommer und Herbst 2020 war der Treff heillos überlastet und es gab zahlreiche Cliquen mit schwierigen Jugendlichen in schwierigen Lebenslagen. Um den Treffbetrieb einigermassen geordnet aufrecht zu erhalten, mussten sogar vorübergehende Treffverbote ausgesprochen werden. Die Jugendlichen der «schwierigen» Cliquen suchten den Kontakt aber weiter und es wurde schnell klar, dass sie eher Hilfe als Ausschluss und Hausverbote brauchten.
Auswirkungen der Pandemie
Eine Befragung der ZHAW zeigt, dass der Anteil an Jugendlichen steigt, die mittlere oder hohe Zukunftsangst äussern. Emotionale Probleme nahmen im Vergleich zum Beginn der Pandemie zu. Besonders unter den weiblichen Jugendlichen zeigt die Befragung eine starke Veränderung. Der erhöhte Therapiebedarf überfordert das Jugendhilfesystem und das Therapieangebot in Winterthur massiv. Die Wartezeit für stationäre und ambulante Therapien bei Jugendlichen in psychischen Krisen beträgt aktuell 6 Monate! Die Jugendlichen brauchen und suchen in diesen Situationen jedoch unmittelbare und niederschwellige Begleitung.
Einige Jugendliche im Jugendtreff Sternen, vor allem auch diejenigen, die schon im Sommer 2020 aufgefallen waren, äussern Ängste rund um die berufliche Zukunft, Probleme zuhause (mit den Eltern). Wenige Handlungsoptionen in der Freizeit führen zudem zu Langweile und destruktivem Verhalten oder zu ambivalentem zum Teil unkontrolliertem Umgang mit Sucht- und Rauschmitteln. Normalerweise versucht ein Treffteam in diesen Fällen den Jugendlichen einen Freizeitausgleich zu bieten und gleist die psychosoziale Begleitung bei Therapeut*innen auf. Im Alltag der offenen Jugendarbeit fehlt ein adäquater Gesprächsrahmen und es ist auch wichtig im Jugi einen Ort zu haben, an dem man nicht als «Problemfall» gesehen wird. Zeitnahe Triage ist durch die Überlastung der Jugendhilfeangebote aktuell jedoch kaum möglich.
Das vorliegende Projekt sucht nach Wegen für eine psychosoziale Überbrückungsbegleitung bis zur ambulanten Therapie.
Psychosoziale Begleitung in der offenen Jugendarbeit
Grundsatz: Das Sternen Team kann weder ein Therapiesetting noch Einzelbetreuung gewährleisten. Zudem sollten die aktivierenden, befähigenden und ressourcenorientierten Grundsätze der Jugendförderung gewahrt und genutzt werden. Auch in dieser Situation sollten die Jugendlichen für das Treff Team und die Peers nicht zu «Problemfällen» werden. Schliesslich sind sie ja auch im ganz normalen Treffbetrieb weiterhin unterwegs mit ihren Peergroups.
Was brauchen Jugendliche in psychisch krisenhaften Situation? Was kann die OJA geben?
- Bedürfnisse in Worte fassen und dem Problem auf den Grund zu gehen, ist für viele Jugendliche herausfordernd, aber es ist auf jeden Fall ein wichtiger Schritt in Richtung Resilienz.
- Jugendliche werden nicht gerne als Hilfesuchende verstanden und denken oft, sie seien die einzigen mit solch schwierigen Gefühlen und Problemen. Wenn aber schon eine Beziehung zu den Mitarbeitenden besteht, suchen die Jugendlichen deren Nähe, druksen rum und machen Andeutungen. Platzt jemand ins Gespräch rein, ziehen sie sich zurück. Es braucht oft Zeit und einen Vorwand, bis sie über ein Problem sprechen können.
- Gerade Jugendliche die regelmässig durch Provokation negative Aufmerksamkeit suchen, brauchen positive Erlebnisse mit Vertreter:innen der Erwachsenenwelt.
- Sie brauchen erwachsene Bezugspersonen, deren Rolle nicht wie bei Lehrpersonen und Eltern fix definiert ist.
- Auch Jugendliche fühlen in persönlichen Gesprächen nur ungern unterlegen. Sie leiden oft lieber schweigend als das Gesicht zu verlieren. Scham ist für sie ein ebenso schwierig zu ertragendes Gefühl wie für Erwachsene. Um sich zu öffnen, brauchen sie Gespräche auf Augenhöhe und echtes Interesse des Gegenübers an ihrer Person.
Wir bedanken uns für die Unterstützung durch die Gemeinnützige Gesellschaft Kanton Zürich sowie die Adele-Koller-Knüsli-Stiftung welche mit Ihrer grosszügigen finanziellen Unterstützung das Projekt „Open Talk“ ermöglicht haben.